Abschied von Frankfurt

Am 22. September begegnete Goethe erneut dem Prinzen Carl August von Sachsen-Weimar. Dieser lud ihn ein, nach Weimar an den Hof zu kommen. Am 12. Oktober kamen Herzog und Herzogin als Neuvermählte auf der Durchreise durch Frankfurt, die Einladung wurde erneuert. Goethe sollte mit dem Hofmarschall von Kalb nachkommen, doch der verspätet sich. Ausführlich schildert Goethe in Dichtung und Wahrheit die Peinlichkeit der Situation: Er hatte sich schon von allen verabschiedet, saß nun wartend da, mußte gar damit rechnen, daß man ihn mit einer Pseudeo-Einladung für seine Ausfälle gegen Wieland züchtigen wollte. Deshalb bricht er am 30. Oktober selbst auf - nach Italien. Am 3. November aber erreicht ihn in Mannheim die Nachricht von Kalbs verspäteter Ankunft, er kehrt zurück; am 7. November trifft er in Weimar ein. Vom vermeintlichen Aufbruch nach Italien ist ein Stück Tagebuch erhalten, das Einblick gibt in die Stimmung beim Abschied.

Ebersstadt d. 30 Oktr 1775.

Bittet dass eure Flucht nicht geschehe im Winter, noch am Sabbath [Bibel: Matth. 24,20]: Lies mir mein Vater zur Abschiedswarnung auf die Zukunft noch aus dem Bette sagen! - Diesmal rief ich aus ist nun ohne mein Bitten Montag Morgends sechse, und was das übrige betrifft so fragt das liebe unsichtbaare Ding das mich leitet und schult, nicht ob und wann ich mag. Ich packte für Norden, und ziehe nach Süden, ich sagte zu, und komme nicht, ich sagte ab und komme! Frisch also die Thorschliesser klimpern vom Burgemeister weg, und eh es tagt und mein Nachbaar Schuflicker seine Werckstäte und Laden öffnet: Fort. Adieu Mutter! - Am Kornmarckt machte der Spenglersiunge rasselnd seinen Laden zurechte, begrüste die Nachbaarsmagd in dem dämmrigen Regen. Es war so was ahndungsvolles auf den künftigen Tag in dem Grus. Ach dacht ich wer doch - Nein sagt ich es war auch eine Zeit - Wer, Gedächtniss hat sollte niemand beneiden. - -  Lili Adieu Lili zum zweitenmal! Das erstemal schied ich noch hoffnungsvoll unsere Schicksaale zu verbinden! Es hat sich entschieden - wir müssen einzeln unsre Rollen ausspielen. Mir ist in dem Augenblick weder bange für dich noch für mich, so verworren es aussieht! - Adieu - Und du! [Charlotte Nagel?] wie soll ich dich nennen, dich die ich wie eine Frühlings blume am Herzen trage! Holde Blume sollst du heissen! - Wie nehm ich Abschied von dir? - Getrost! denn noch ist es Zeit! Noch die höchste Zeit - Einige Tage später! - und schon - O Lebe wohl - Bin ich denn nur in der Welt mich in ewiger unschuldiger Schuld zu winden - -  - -  - -  Und Merck wenn du wüsstest dass ich hier der alten Burg nahe sizze, und dich vorbeyfahre der so offt das Ziel meiner Wandrung war. Die geliebte Wüste, Riedesels Garten den Tannenwald [Bessunger Wald], und das Exerzierhaus - Nein Bruder du sollst an meinen Verworrenheiten nicht theilnehmen, die durch Theilnehmung noch verworrner werden.
Hier läge denn der Grundstein meines Tagbuchs! und das weitere steht bei dem lieben Ding das den Plan zu meiner Reise gemacht hat.
 

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