O wenn ich iezt nicht dramas schriebe: Clavigo

"O wenn ich iezt nicht dramas schriebe ich gieng zu Grund. Bald schick ich Ihnen eins geschrieben." So schrieb Goethe am 7. März 1775 an Auguste zu Stolberg. Das bezog sich vermutlich auf Stella. Doch schon vorher war die dramatische Form das Gehäuse, das zur Erprobung der eigenen Rolle in der Welt diente - 'Erlebnisdichtung' nicht in dem plumpen Sinne, daß da real Erlebtes abgebildet wird, sondern als Simulationsraum für die Möglichkeiten der eigenen Seele.

Als Goethe im Mai 1774 den Bericht Beaumarchais' über seine Auseinandersetzung mit dem Spanier José Clavijo y Fajardo in die Hände bekam, fertigte er daraus innerhalb einer Woche das Trauerspiel Clavigo: Der erfolgreiche Emporkömmling Clavigo, ein Schriftsteller, trachtet unter dem Einfluß seines Freundes Carlos nach einer Karriere am Hofe. An seine Braut Marie binden ihn die bürgerlichen Pflichten und ein Rest alter Zuneigung. So steht er zwischen der 'großen' Welt als dem Raum tätiger Selbstverwirklichkung und der 'kleinen' Welt als dem Raum moralisch qualifizierten Handelns, kann sich für keinen ganz entscheiden und richtet Marie und sich selbst zu Grunde. Unschwer läßt sich hier die Situation des jungen Frankfurter Anwalts wiedererkennen, der über seine eigene Zukunft nachdenkt.
  Hier sehen sehen Sie Clavigo, wie er über dem Sarge Mariens zusammensinkt, vom Stahle ihres Bruders tödlich getroffen.
 


Homepage | Inhalt Schlaglichter| Nächste Seite