Klein Paris I: Der Kulturschock

Wahrhaftig du hast Recht! Mein Leipzig lob' ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.

Goethe hat diese Charakterisierung ironisch ausgerechnet einem der Saufkumpane in Auerbachs Keller in den Mund gelegt. Aber sie entsprach durchaus der Selbst- und Fremdeinschätzung in jener Zeit: Leipzig hatte Frankfurt als Messe- und Handelsstadt schon länger überholt, die Schäden des Siebenjährigen Krieges waren zwar noch sichtbar, wirkten aber wie die Konkurrenz zur Residenzstadt Dresden eher belebend. Leipzig war die Hochburg einer regen bürgerlichen Geselligkeitskultur, des 'bürgerlichen Rokoko'. Für Goethe allerdings bedeutete der Wechsel von Frankfurt nach Leipzig zunächst einen Kulturschock. Sprache, Kleidung, Lebensart - in allem fiel er als altmodisch aus dem Rahmen. Er paßte sich dann jedoch schnell an. Der Jugendfreund Horn berichtet dem Jugendfreund Moors: "Ich kann gar nicht einsehen, wie sich ein Mensch so geschwind verändern kann. Alle seine Sitten und sein ganzes jetziges Betragen sind Himmel weit von seiner vorigen Aufführung unterschieden. Er ist bei seinem Stolze auch ein Stutzer, und alle seine Kleider, so schön sie auch sind, sind von so einem närrischen Gout, der ihn auf der ganzen Akademie auszeichnet." (12. 8. 1766.)

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