Bonjour
meine allerliebste Amalie
Meine Göttliche Freundin
Diesen Augenblick erhalte
ich dein Billet - und in den ersten Aufwallungen der Freude über deßen
innhalt, ergreife ich sogleich die Feder, um meinen Ideen freyen lauff
zu lassen - Wie? Amalie ists! Die mir mit einen so naifen so Aufrichtig
scheinenden Ton sagt "alles in der welt mag deine Drohung bedeuten, nur
nicht den verlust deiner Freundschafft. " Göttliches! Bestes Mädchen!
laß dich für diese worte umarmen, 100000 mahl embrassiren aber
- ists auch gewis - und wircklich so - und ist es bloß etourderie,
wenn deine Handlungen das Gegentheil zu beweisen Scheinen - Nun! ich will
es zu meiner Beruhigung vor wahr und infaillible annehmen und dem Vergnügen,
(dir so beneidenswerthe Gesinnung eingeflöst zu haben) mich mit ganzer
Seele überlaßen. O gewiß, etwas weniges von Schwärmerey!
die Werthers leiden [Die Leiden des jungen Werthers] angefacht, und Amaliens
Freundschafftliche Ausdrüke in eine Art von Wirklichkeit gesezt -
denn bey Mir hatt Liebe und Freundschafft ähnliche Wirkungen, und
ist gerade eben daßelbe, weil meiner Seele (wenn sich keine Vanite
Einmischt) mit unsres Helden Seele fast gleichstimmig empfindet - Viel
Ehre - Zuviel Ehre periat Eitelkeit*** höre! bestes Mädchen,
laß Dir über eine gewiße Stelle in Deinen Brieff meine
aufrichtige Meinung sagen - dein Vetter hatt alle schöne Stellen herausgeklaubt--hergesagt,
und folglich zu beurtheilen gewußt - Gut! Das macht seinen Verstande
Ehre und nun scheint Er Mir auch schon interressanter als sonst, aber wenn
es seinen Herzen Ehre machen solte - o so müste man nicht wissen,
daß Er sehr epicurisch denkt und handelt / Nimm dieses als einen
beweis an daß ich dich für ein mehr als Gewöhnliches Mädchen
ansehe, denn ich wage viel denn keine niedrige wollust, / Ich meine eine
solche, der jedes Mädchen gleich ist / kann in der Seele eines solchen
Menschen statt finden, das behaupte ich kühnlich und getraue es mir
zu beweisen. - /
O du bedaurenswürdiger
Sterblicher, dem sein Schicksal mit solchen abendtheuerlichen Gesinnung
in eine Welt versezt hatt wo man seine Schwärmerey für Narrheit
und seine heroische Entschließung für rasenden Unsinn ansieht,
nur in einer Sphaere von Wesen die Dir gleichen, kanstu eigentlich glüklich
sein, was hast du unter dem Mond zu thun - Entschließe
dich und stirb - das war mein Urtheil, als unsre ganze Clerisey dieses
göttliche Buch vor die Geschichte eines Narren hielt - o Amalie! Amalie!
Frage Frau Minchen, welch ein trauriges Geschenck der Natur ein gar zu
fühlbares Herz ist - Suche das Deinige zu verstehlen, wenn du glüklich
hiernieden sein, und vor weise passiren willst - verscheuche alle
ideen, welche eine gar zu hoch gespannte Einbildungskrafft hervor bringt
- denn nie wirst du einen Werther finden, und nie wird selbst derjenige
der Werther am Meisten gleicht, so dencken, und handlen können, wenn
Er nicht ein Wesen von höherer art als die gewöhnlichen Menschen
Kinder ist.
Doch genug - genug, ich
will nur noch soviel sagen daß ich nie ein Buch gelesen habe, welches
mich mit solch Theilnehmender Empfindung angestekt hätte - Mir schauderte
bey dem Auftritt wo Er den ossian vorliest - wo Er abschied nimmt - und
der Ausdruk -
-"zum Erstemahl durchdrang
meine Seele das Wonnegefühl Sie liebt mich" war mir sehr einleuchtend
- aber! was fühlte ich bey der Stelle "(es schlägt 12 die Pistole
ist geladen so sey es denn! leb wohl Lotte leb ewig wohl)" hilf Himmel!
ich glaube Lotte Selbst konnte dabey nicht Mehr empfunden haben - Viel
gesag! (Hier fliesen neue Thränen - welch eine Thorheit!) O dachte
ich in dem Augenblick, es ist doch nichts so schlimm es ist zu etwas gut,
welch eine fühlbare Unglückliche Creatur wurdest du sein, wenn
leichtsin und Eitelkeit dich nicht eines so schrecklichen attachemens unfähig
machten - und siehe da! ich wuste mirs zum ersten mahl danck daß
ich bis her nur Eitelkeit, nur die Oberfläche eines gerührten
Herzens gesehen - der Himmel bewahre Mich -
Genug! Genug hiervon ists
doch als ob ich behext bin, mit philosophiren über das Buch - nun
etwas Neues zu Markte gebracht - und nicht so traurig wie das Vorige
- du hast also Briefe von der Geliebten Louise - nun ich muß den
lezten sehen, ich muß urtheilen welche Schilderung du gemacht hast
- mais pourquoi ne la verrai je qu'en partie - y a t'il du Mistere! Entre
Vous - Y a t'il des Nouvelles de M.
Doch - hm - ja, ich will
von liebe nichts mehr wißen etc. Ey seht doch - was das
vor oino Entschließung ist! Da wird gewaltig protestirt und appellirt
werden und am Ende - wie heißts - wie sagt Cronegk:
was ich für Freundschafft
angesehen, war Amor in der Freundschafft Kleid -
dann adieu! Sprödigkeit
- und Freyheit und alles - Doch nein was sag' ich Ist das der Ton worin
ein Frauenzimmer spricht - vive la Chere Liberte! Ich sehe wohl,
ich habe heute kein Talent zum Comischen, ich bin auf Werthers Ton gestimmt
- und tauge Nichts dich zu belustigen - sondern zu - darf ich sagen zu
rühren - n'en deplaise a a - ich weis ma foi nicht was ich schreibe,
noch wen'ger was ich dencke - aber das weis ich! daß ich / nicht
mit Ergebenheit (Ein wort das dir nicht gefällt) / sondern mit wahrer
Entousiastischer Freundschafft und den hochachtungsvollsten Gesinnungen
bin
chere Amalie
Votre
tres devouée
Auguste
*** stelle dir einmal vor,
wie Werther von der Fräul. B. spricht, die Er am Hofe antrifft! -
als sie Ihm, in Gegenwart der Unwissenden und unfühlbaren hochadelichen
Hof Närrinnen kaltsinnig begegnet, Er sagt Wie? ist sie auch wie all'
das Volck - gleicht sie meiner Lotte nicht - hol sie der Popanz (Wem
gleicht dieses Portrait! Gewiß Mir! Gewiß Deiner Auguste -